Florentinischer Frühling. Roman by Carme Riera

Florentinischer Frühling. Roman by Carme Riera

Autor:Carme Riera [Riera, Carme]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783105615102
Herausgeber: FISCHER Digital
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Laura rührte sich nicht. Das Stilett drang mitten in ihr Herz. Der Tod, der ihm Laura unweigerlich für alle Zeit zurückgab, trat schnell ein. Danach reinigte Guarini das Stilett, kniete neben ihr nieder und begann vor Freude zu weinen. Als er tief in der Nacht einschlief, umarmte er ihren Körper zum ersten Mal ohne Angst und Sorge. Nach dem Erwachen kleidete er sich sofort an: Er hatte eine Aufgabe, die ihn in Saal X-XIV im Museum der Uffizien erwartete.

7

»Ich habe es schon gelesen, Clara, bin aber mit deiner Version von Guarini nicht einverstanden. Du verwandelst einen Verrückten in so etwas wie einen Helden, du verleihst ihm zuviel Größe …«

»Glaub das nicht. Ich wollte die allgemein bekannten Tatsachen darin unterbringen. Guarini ist doch angeblich ein Psychopath, und das Verhalten, das ich beschreibe, ist das eines Verrückten.«

»Ja, aber verrückt vor Liebe, das ist etwas anderes. Aus einem Mann, der für seine Taten nicht verantwortlich ist, der den Boden unter den Füßen verloren hat, machst du einen, der aus idealer Liebe handelt, aus …«

»Amore che move il sole e l’altre stelle …«[4]

»Das ist trotz allem nur ein Zitat, Clara.«

»Aber diese Art Liebe ist auch Guarinis Motiv …«

»Da irrst du dich. Guarini kann nicht lieben. In Wirklichkeit will er Laura nicht finden, sondern immer weiter suchen. Du siehst ja, als er sie findet, zerstört er sie.«

»Nein, nein, du hast nichts verstanden, Albert. Er hat Laura sein Leben geweiht. Sie ist es, die ihn nicht versteht …«

»Ja, ja, ›der violette Blick ist sein Leben …‹, wie poetisch! Doch er läßt nicht zu, daß Lauras Augen etwas anderes sehen als ihr eigenes Bild. Soll ich dir die Wahrheit sagen? Guarini, dein Guarini ist wirklich ekelhaft.«

»Wieso denn?«

»Je näher er Laura kennenlernt, je mehr er sich mit ihr verbindet, um so mehr entfernt er sie von sich. Er ist in ein Gefühl verliebt, nicht in eine Person …«

»Ein Gefühl, das Laura in ihm ausgelöst hatte.«

»Sieh mal, dein Guarini sorgt sich nur um sich selbst, es ist ja gerade sein Egoismus, dem er treu bleiben wird, indem er Laura tötet. Er respektiert nur das, was er sich in den Monaten vorgenommen hatte, als er auf sie wartete, eine Art Phantasiegebilde. Laura ist nur das, was Guarini in ihr sieht, ein Objekt, das er selbst fabriziert hat, ein kleines Mädchen aus einem Märchen, eine Heiligenfigur aus Gips, egal was. Er kann sie bewundern, verehren, aber nicht lieben. Lieben, das heißt akzeptieren, verstehen, meinst du nicht auch …? Dein Guarini ist unfähig, zu verstehen und zu akzeptieren. Deshalb zerstört er sie, als er sich seiner Behinderung bewußt wird. Wieder allein, wird er jetzt erneut ganz ungestört für sich selbst leben können, für seine Gelüste und Obsessionen.«

»Guarini tötet, um seine Erinnerung unbeschädigt zu bewahren, um sie nicht zu verderben.«

»Glaub das nur nicht. Eine Erinnerung ist leicht zu manipulieren. Guarini wird sich nicht an die wirkliche Laura erinnern, sondern an seine eigene, diejenige, die er selbst erfunden hat, an Petrarcas Laura …«

»Dann beweist er Stärke, außerordentliche Stärke.«

»Ganz im Gegenteil. Was er uns zeigt, ist seine Schwäche.



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